Die Dunkle Seite des Tango Argentinos: Geschlechterdynamik und Machtungleichheit

Der Tango Argentino, ein faszinierender Tanz der Leidenschaft und Intensität, hat eine oft übersehene Schattenseite, die gerne unter den Teppich gekehrt wird. Während wir uns von den verführerischen Bewegungen mitreißen lassen, lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die sozialen und geschlechtsspezifischen Aspekte dieses Tanzes zu werfen.

1. Geschlechterungleichheit auf der Tanzfläche

Es ist kein Geheimnis, dass im Tango Argentino mehr Frauen (eher jüngere) als Männer (eher ältere) tanzen. Dieses Ungleichgewicht führt zu einer komplexen Dynamik.

Frauen müssen oft den ersten Schritt machen, um einen Tanzpartner zu finden. Sie ziehen sich sexy an, flirten, lächeln und signalisieren Interesse, um die Männer zu ermutigen, sie aufzufordern.

Die Männer hingegen genießen ihre Vorreiterrolle und erwarten, dass Frauen brav sitzen bleiben, bis diese eindeutig durch Mirada und Cabaceo (Blickkontakt und Kopfnicken) aufgefordert werden. Dies kann zu einem Machtungleichgewicht führen: Männer suchen sich die Frauen aus, mit denen Sie tanzen möchten und Frauen, müssen nehmen was kommt oder weiter auf der Wartebank sitzen.

2. Sexy Kleidung und Verhalten

Frauen fühlen oft den Druck, sich sexy anzuziehen, um die Aufmerksamkeit der Männer zu erregen. Hohe Absätze, enge Kleider und verführerische Bewegungen sind Teil des Spiels.

Dieses Verhalten kann jedoch dazu führen, dass Frauen sich hinter der nett aufgesetzten Maske unwohl fühlen oder ihre Authentizität verlieren, wenn sie sich ständig anpassen müssen, um den Erwartungen zu entsprechen.

3. Überheblichkeit der Männer

Männer, die im Tango Argentino schon länger führen, haben einen größeren Andrang an interessierten Frauen, die mit ihnen tanzen möchten. Die Männer können sich die Frauen aussuchen und der Wettkampf der Frauen um den besseren Tänzer vermittelt ihnen den Eindruck besonders gute Tänzer zu sein und auch als Mann begehrt zu sein.

Dies kann zu einem übermäßigen Selbstbewusstsein führen, bei dem einige Männer glauben, dass sie die besseren Tänzer sind und über den Frauen stehen, anstatt zu hinterfragen, ob es einfach nur an der ungleichen Dynamik liegt.

Der Andrang und das „begehrt werden von den Frauen“ vermittelt bei den Männern den Eindruck die besseren Tänzer zu sein und den Frauen auf der Tanzfläche ungefragt „Tanzunterricht“ zu geben. Die Frauen spielen mit, damit sie beim nächsten Tanzen wieder aufgefordert werden. Ein Aufmüpfen führt dazu, dass sie in Zukunft keine Chance mehr auf einen weiteren Tanz zu haben.

4. Der Kampf der Tänzerinnen

Viele Frauen im Tango Argentino sind leidenschaftliche Tänzerinnen, die hart arbeiten, um ihr Können zu verbessern.

Sie kämpfen gegen Stereotypen und Vorurteile an, um als gleichwertige Partnerinnen wahrgenommen zu werden.

Doch genau das verhindert, dass sie aufgefordert werden.

Männer wollen die besseren Tänzer sein, sich in der Beschützer Rolle wiederfinden.

Ja, der Tango Argentino ist ein wunderschöner Tanz, der einen einzigartigen Flow zwischen zwei Menschen entstehen lässt. Doch es ist höchste Zeit, die alten patriarchalen Regeln zu hinterfragen und Frauen als gleichberechtigte Partnerinnen zu sehen. Gute Tango-Tänzerinnen hören nicht umsonst auf, weil sie sich das Ungleichgewicht nicht mehr gefallen lassen wollen. Lasst uns gemeinsam für einen respektvollen und ausgewogenen Tango eintreten.

Anmerkung:
Ich habe diesen Artikel vor Veröffentlichung an zwei Frauen geschickt, um ihr Feedback zu erbeten.
Die 1. Dame hat schon vor Jahren aufgehört, aus genau diesen Gründen und ermutigte mich, diesen Artikel zu veröffentlichen, da er authentisch ist.

Die 2. Dame ist noch in der Tangoszene und meinte dazu, dass der Artikel sehr frustrierend sei, obwohl er doch den Tatsachen entspricht, aber das doch nicht veröffentlichen kann.

Auch ich selbst hab lange gehadert, diesen Artikel zu schreiben. Wie kann ich dies nach all den wunderbaren Seiten des Tangos von mir geben? Aber der Tango hat, wie alles im Leben, viele Seiten. Wir konzentrieren uns gerne auf die Positiven, weil wir gerade deshalb ja zum Tanzen gehen: Wir wollen die Umarmung, den Flow, das Gefühl angenommen zu werden wie wir sind, begehrt werden… Aber er hat eben auch diese Schattenseiten: Er bringt nicht nur unsere guten Seiten an die Oberfläche, er zeigt uns auch unsere Schattenseiten und es gilt diese besonders gut anzusehen und zu hinterfragen, und zwar sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen, die sich das alles gefallen lassen.

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1 Antwort zu Die Dunkle Seite des Tango Argentinos: Geschlechterdynamik und Machtungleichheit

  1. Annette sagt:

    Die dunkle Seite des Tangos

    Am Anfang meines Tangoabenteuers war ich wie in Trance. Ich dachte, ohne Tango kann ich nicht mehr leben.
    Ich hatte ein Gefühl, alle haben sich lieb und alle sind Freunde, eine ja, Familie, community. Bis ich das erste Mal zu einem Marathon gefahren bin. Da habe ich festgestellt, dass man unbedingt zu den VIPs gehören muss, Wiedererkennung ist wichtig, Küsschen, Küsschen und Umarmung. Man trifft sich zusammen in Prag, Budapest, Porto etc. Es ist wichtig, auf möglichst vielen Events zu sein, denn dann ist man ein Teil der Show. Später habe ich genauer hingeschaut. Die Frauen konkurrieren stark gegeneinander. Es sind nicht immer „echte“ Küsschen, es geht ums Prestige, um aufzufallen damit man dabei sein kann.
    Männer gucken sich das Spektakel gerne an. Grausam wie in Hollywood!
    Meine schlimmste Erfahrung war ein Encuentro Weekend (ich möchte hier den Namen der Veranstaltung nicht nennen). Der Saal war wunderschön und riesengroß. Frauen saßen auf den rot bezogenen Stühlen an der Wand in 4 Reihen hintereinander.
    Die Männer saßen gegenüber am Eingang auf blauen Stühlen.
    Der DJ hatte so lange die Cortina gespielt, bis sich alle Frauen BRAV auf ihren Stühlen hinsetzten.
    Es gab keine gemütliche Ecke, kein Gespräch zum „vor der Tanda kennen lernen“, nichts.

    So warteten die braven Frauen bis man (Mann) sie netterweise aufgefordert hatte, oder auch nicht!

    Wenn sie nicht hübsch genug waren oder sich nicht gut präsentieren konnten blieben sie sitzen, hoffend, dass vielleicht der letzte Tanguero, der zu spät dran war eine Tangokönigin aufzufordern sie zum Tango einlud.

    Das Gefühl in der 4. Reihe sitzen zu bleiben war schrecklich. Ich kam mir vor wie eine (JA!) Prostituierte, die nicht genommen wurde. Ich war mit meinem Ehemann da, trotzdem durften wir nicht zusammensitzen. Er hat selbstverständlich auch andere Frauen zum Tanz eingeladen, das war okay für mich.

    Da ich nicht so „bekannt und sexy“ war, war es für mich frustrierend. Ich gehe gerne auf eine Milonga, nicht nur um zu tanzen. Ich unterhalte mich vorher gerne mit einem Tanguero, ich flirte gerne an der Bar oder am Tisch. Diese Disziplin an dem Wochenende, wo viele Menschen waren und man eigentlich eine schöne Zeit haben könnte, war für mich der BEWEIS, dass der Tango alles andere als ein SOCIAL DANCE ist. Es war ein drastisches Beispiel dafür was eigentlich in der Tangowelt passiert.

    Alte Männer wollen mit jungen Frauen tanzen. Die Frauen müssen sexy sein, kurze Kleider und hohe Absätze tragen.

    Reife Frauen, egal ob sie gut tanzen oder nicht, müssen sich sehr anstrengen, wenn sie tanzen wollen.

    Es ist ein MARKT, nichts anderes. Frische Ware wird gut verkauft.

    Dabei dachte ich, dass der Tango eine Bereicherung ist, es wird tiefer geschaut und es geht um die Emotionen.
    In der Realität leider nicht.

    Resultat: Frauen tanzen mit Frauen
    Männer werden immer narzisstischer, überheblicher und wählerischer.

    Es ist nicht der Tango, der mich vor 10 Jahren verzaubert hat.

    Meine Lösung: zur Milonga gehen und NICHTS erwarten. Es kann ein toller Abend werden, das hängt davon ab was ich daraus mache. Manchmal tanze ich jede Tanda, manchmal unterhalte ich mich lieber am Tisch und genieße die Zeit und den Abend. Es ist auch ok.

    Ich fahre nur noch selten zu den großen Festivals oder Marathons. Eine lokale Milonga ist auch schön, da kann man sich entspannen und einfach genießen.

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