Tango Argentino mit offenen Herzen by Bri

Einleitung

So wie jeder Mensch ein Individuum mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen ist, so ist auch die Interpretation des Lebens und somit auch des Tango Argentino sehr vielfältig.

Da wir in der Welt der Dualität leben, wird alles was wir wahrnehmen von unserem Gehirn mit dem verglichen was es bereits erlebt und abgespeichert hat und nach dessen Bewertungssystem (mit alle Erinnerungen die bereits im Archiv abgelegt sind) verglichen und eingeteilt. Dieses Archiv speichert alles Erlebte mit sensorischen Reizen ab (Bildern, Filmen, Gerüche, Fühlen, Töne) verknüpft es mit Gefühlen und ergänzt es auch noch mit Glaubenssätzen. Das daraus resultierende Ergebnis nennen wir dann „meine persönliche Meinung“. Wir spielen dann die persönlichen Meinungen so intensiv aus, bauen sie aus und verknüpfen Sie mit Körperhaltung, Stimmveränderung und Aktionen, die dann eine Persönlichkeit formen, mit der wir uns dann identifizieren. Diese Identifikation, dieser materialisierten Energieform nennen wir dann „ICH“.

Von klein auf sind wir ständig mit sensorischen Reizen umgeben und diese werden von unserer Umgebung: u.a. Eltern, Großeltern, Geschwister, ErzieherInnen, LehrerInnen und FreundInnen mit deren Glaubenssätzen bewertet, welche wir zur unserer „persönlichen Meinungen“ machen, um angenommen und integriert zu werden. Dieses Phänomen ist von der Natur so vorgegeben, um den Individuum durch die Integration in einer Gruppe eine größere Überlebenschance zu geben. Dieses Phänomen hört im Erwachsenenalter nicht auf, denn auch da ist es wichtig für das Überleben des Menschen ein Teil einer Gruppe zu sein.

Wenn wir etwas Neues lernen, dass unser Gehirn noch nicht kennt und somit noch nicht einteilen kann übernehmen wir vorerst die Glaubenssätze, Gefühle und Bewertungssystem der ersten Person, mit der dieses Erleben zu tun hat. Das wird als erste Erinnerung zwischengespeichert. Jede weitere Erfahrung, die ähnlich ist, wird wieder mit dieser ersten Erfahrung verglichen und neu bewertet und abgespeichert.

Wie wir es allerdings abspeichern, mit welcher Bewertung, hängt jetzt vom Bezug zu dieser Person ab.  Stellt das Bewertungssystems deines Gehirns sich höher als die Person, die das Neue verbreitet, wird es alles ablehnen was von dieser Person kommt. Es wird als Negativ abgespeichert, damit wir uns gleich mal schneller von dieser Person wieder distanzieren zu können. Wir wollen nicht zu deren Gruppe gehören. Unser Instinkt sagt: „Nein, diese Person ist zu schwach, um mein Überleben sichern zu können.“ Deshalb ist es egal was das Gegenüber sagt, alles wird gleich mal abgelehnt.

Sehen wir uns selbst auf niedrigere Stufe als diese Person, übernehmen wir vorerst gerne dessen Bewertungssystem, Meinung etc., aus instinktiven Gründen, um „unser Überleben sichern zu können“. Denn diese Person strahlt für uns mehr Stärke aus, als unsere Bewertungssystem abgespeichert hat und deshalb wollen wir als erster Instinkt ein Teil dieser Gruppe werden, dh. Alles übernehmen was diese Person sagt.

Sehen wir uns „auf gleicher Augenhöhe“ mit dem Gegenüber, bleiben wir Offen, Neugierig, Hinterfragen, gehen aus uns hinaus und sind authentisch.

Dieses Phänomen von Höher und Niedriger Stellen, war in früheren Jahrtausenden überlebenswichtig, nur die Starken konnten überleben, die Schwachen wurden von der Natur ausgemustert.

Trotz technischer und sozialer Fortschritte ist bis heute dem Menschen dieser Naturinstinkt geblieben, doch hat sich etwas geändert. Es kam etwas Neues dazu. Die Erkenntnis, zu wissen, dass es ein Instinkt ist. Wenn wir uns dies bewusst machen und gegen den ersten „von der Natur aus vorgegebene, Impuls handeln, d.h. nicht darauf hören, das das Gegenüber höher/niedriger steht und wir stattdessen mit dem Impuls von „gleicher Augenhöhe“ nochmals einsteigen, fangen wir an offen und  neugierig zu bleiben, hinterfragen, alles was das Gegenüber sagt und hinterfragen auch alles was unser Gehirn an Meinungen dazu von sich gibt und es entsteht eine vollkommen neue Welt der Wahrnehmungsmöglichkeiten, die Perspektiven verändern sich ständig, die eigene Persönlichkeit wird ständig hinterfragt, verändert und wir befinden uns in einem ungeahnt großen Raum der Möglichkeiten, die sich auftun. Statt auf einer engen Fahrbahn gleiten wir auf einer dreidimensionalen Welt von Möglichkeiten dahin.

Was hat das jetzt mit Tango Argentino zu tun?

Der Tango Argentino kann als Spiegelung unseres eigenen Seins hier auf Erden gesehen werden. So wie wir den Tango Erleben, so erleben wir uns auch in unseren Leben generell. Sehen wir unser Gegenüber beim Tanzen auf gleicher Augenhöhe, können wir das Tanzen als etwas großartiges Neues erleben, ein Pool mit vielen Neuen Eindrücken und Möglichkeiten. Wir sind ständig gefordert, Aufmerksamkeit, Präsenz im Jetzt, Verbindung mit meinem Gegenüber, das System das sich ständig anpassen muss und dadurch neue Eindrücke sammeln und abspeichern kann ist möglich. Wir spüren Harmonie, Disharmonie, Eustress und Disstress mit jedem neuen Schritt. Bleiben wir bewusst im Modus „gleiche Augenhöhe“ egal, ob unser System oder das System des Gegenübers auf einen anderen Modus ist, können wir das Tanzen als Abenteuerspielplatz mit vielen neuen Möglichkeiten sehen. Wir nehmen alles an was ist.

Lassen wir uns allerdings von unserem instinktiven Bewertungssystem auf „höher/niedriger“ mitnehmen wir es eng, es entsteht Stress. Wir hören nurmehr auf unser eigenes Bewertungssystem oder/und auf das des Gegenübers und Harmonie/Verbindung ist gar nicht mehr möglich. Wir sind froh, wenn es bald vorbei ist und wir das Gegenüber loslassen können. Danach füttern wir das Bewertungssystem noch weiter. Wenn wir uns höher als unser Gegenüber stellen: kommt ein, der/die ist aber schlecht gewesen. Stellen wir uns selbst niedriger: ich war überfordert, die Person war einfach zu gut/Ich bin schlecht.

Einladung zum Tango mit offenen Herzen

So wie wir Tango gelernt haben, unsere LehrerInnen als gut/schlecht eingeteilt haben, so versuchen wir auch unseren eigenen Tango zu interpretieren. Wir versuchen dessen Level zu erreichen (wir haben uns ja kleiner gemacht als die) bzw. möglichst dem nicht Nahe zu kommen, je nach dem wie unser Bewertungssystem es sieht.

Wenn wir uns ständig bemühen irgendeiner Vorstellung zu entsprechen, sind wir nie in der Präsenz, sind gar nicht möglich das SEIN zu erleben, das JETZT gerade mit deinem Gegenüber möglich ist.

Es kann gar kein Richtig/Falsch geben. Wer hat da die oberste Entscheidungsgewalt dies zu entscheiden? Es gibt viele Möglichkeiten der Ausdrucksform auf dieser Erde. Mit manchen können/wollen wir, mit anderen können/wollen wir uns nicht auseinandersetzen. Es geht darum sich bewusst zu machen, dass jede Entscheidung, jeder Schritt, jeder Gedanke sofort Auswirkung hat auf das jetzige Erleben (meine Wahrnehmung – JETZT). Wenn wir uns hinterfragen: Wollen wir das so erleben? Können wir dableiben und tiefer eintauchen oder uns bewusst in eine andere Richtung bewegen.

Mit jedem neuen Tanz besteht die Möglichkeit Neues zu erleben, uns selbst als etwas ganz Neues wahrzunehmen, da wir uns mit jeder Person, jedem Schritt neu aneinander anpassen und dadurch in eine neue Welt des Erlebens eintauchen können, die wir alleine gar nicht betreten können. Sind wir in dieser Welt gemeinsam, achten wir das Gegenüber (anerkennen es auf gleicher Augenhöhe) entsteht Harmonie. Dieses Erleben löst kurzfristig Endorphine aus und wir werden danach süchtig, wollen es wieder erleben.

Dann gehen wir wieder tanzen, wollen das Gleiche wieder erleben (was gar nicht möglich ist, da das Leben ständig in Bewegung ist) unser Bewertungssystem setzt ein und wir stellen uns höher/niedriger als unser Gegenüber – nehmen es als unsere persönliche Wahrheit (Wahrheit kommt vom Wahrnehmen) und geben dann unserem Gegenüber oder uns selbst die Schuld am Versagen. Dabei ist „das Geheimnis“ eigentlich ganz einfach.

  • Automatisiertes Bewertungssystem bewusst machen
  • bewusst auf gleiche Augenhöhe stellen
  • bleibe mit der Aufmerksamkeit ganz bei dir
  • offen bleiben (Arme ausbreiten und das Gegenüber umarmen, wie es ist)

Gelingt das immer? Natürlich nicht, es ist wie eine neue Sprache lernen, am Anfang erscheint es schwer, aber je öfter wir dies tun, bewusst aus dem Bewertungssystem auszusteigen und offen zu bleiben, desto mehr Erinnerungen dieser Art speichert unser Gehirn ab, desto mehr neue Synapsenverbindungen werden aufgebaut und somit erscheint es uns durch ständiges Training leichter und leichter.

Kiss and Enjoy

Bri

 

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